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Es werden Posts vom Oktober, 2017 angezeigt.

Die Evolution des Homo sapiens

Im Jahre 1994 verkündeten die Autoren Mateo Alaluf und Marcelle Stroobants in der Europäischen Zeitschrift für Berufsbildung die Entstehung eines neuen Menschentyps. " Heute entsteht der Homo competens, dessen Verhalten von der Bereicherung seines Bestandes an Kompetenzen motiviert sein dürfte. " [1] Wie in einer Verkündigung entdeckt man einen neuen Stern am Himmel und mutmaßt (mangels empirischer Daten), was es mit diesem auf sich haben könnte. Wissenschaftlich ist das nicht, was aber heutige Bildungspropheten keineswegs hindert, diesen neuen Stern anzubeten. Geht man dieser "Entdeckung" auf den Grund, so läßt sich tatsächlich mit entsprechenden Filtern eine Veränderung beim Menschen beobachten. Fachkräftemangel deklamieren die einen, schlechte Allgemeinbildung die anderen, Bildungsnotstand rufen die dritten. Wie kann das sein? Haben nicht vergangene Regierungen eine Bildungsinitiative nach der anderen zur "Chefsache" erklärt? Und wiederholt steht

Die Geburt des Homo competens

Wohl nur wenigen Predigern des Kompetenzwahns in der schulischen und universitären Bildung sowie in der Fort- und Weiterbildung dürften Mateo Alaluf und Marcelle Stroobants bekannt sein. Dabei verdanken sie diesen beiden Soziologen von der Freien Universität Brüssel überhaupt erst ihre Daseinsberechtigung. Es lohnt sich, Medien-, Lese- und hermeneutische Kompetenz vorausgesetzt,  in einer autonomen Selbstlernphase mal nach "Alaluf/Stroobants 1994" zu googlen. Über 1.300 Treffer werden angezeigt und wenn sie nicht gleich nach den ersten drei Treffern die Lust verlieren, stoßen sie auf die erste Ausgabe der Europäischen Zeitschrift für Berufsbildung . Erschienen 1994 mit dem Titel "Kompetenz: Begriff und Fakten". Formuliertes Ziel dieser, vom Europäischen Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) redaktionell unterstützten Zeitschrift war es, " dem Informationsbedürfnis auf dem Gebiet der Berufsbildung in einer Zeit tiefgreifender wirtschaftliche

Die schlesischen Weber und Die Flexibilisierung der Arbeit

Im düstern Auge keine Träne, Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne: "Deutschland, wir weben dein Leichentuch, Wir weben hinein den dreifachen Fluch -    Wir weben, wir weben! So die erste Strophe des Heine Gedichts " Die schlesischen Weber " von 1844. Es beschreibt die Situation der gesellschaftlichen Leistungserbringer vor einer großen Revolution in Deutschland ( Märzrevolution 1848 ). Der Verlust von Absatzmärkten, die Zunahme des Wettbewerbes, der Ausfall binnenländischer Nachfrage, die fortschreitende Industrialisierung mit ihren Billigprodukten verschärften die Situation. Die an die Weber gezahlten Löhne sanken kontinuierlich. Die Verleger [Auftraggeber] trachteten nach Profitmaximierung bzw. deren Erhaltung, die letztlich durch niedrige Produktionskosten erreicht werden sollte. Die wirtschaftliche Situation der Weber war zum Ende des 18. Jahrhunderts katastrophal, vor allem weil sie nur teilweise in bar entlohnt wurden,  die Hälfte des Wa

"Schöne Neue Lernkultur"

Prof. Dr. Karl-Heinz Dammer von Institut für Erziehungswissenschaften an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg gibt uns einen Live-Bericht zur Manifestation einer Neuen [Lehr- und] Lernkultur , die in den Köpfen blindgläubiger "Bildungsreformer" wie ein bösartiger Tumor wächst und von den eifrigen Predigern des Lernen 4.0 wie ein päpstlicher Ablass unter die Leute gebracht wird. "Eine Studienanfängerin gibt die erste Stunde in ihrem Einführungspraktikum. Sie legt eine Folie als stummen Impuls auf und wartet die Reaktionen der Schülerinnen und Schüler ab, bis die gewünschte Antwort kommt, die darin besteht, das Stundenthema zu erraten. Nach einer kurzen Erläuterung verteilt die Praktikantin diverse Arbeitsblätter mit dem Hinweis, die Schülerinnen und Schüler „dürften“ die Materialien allein bearbeiten, bei Schwierigkeiten sollten sie sich zunächst an den Nachbarn und danach gegebenenfalls an die Lehrerin wenden. Der überw

Die Kapitalisierung des Geistes (Teil III)

„ Es gibt ein großes und doch ganz alltägliches Geheimnis. Alle Menschen haben daran teil, jeder kennt es, aber die wenigsten denken je darüber nach. Die meisten Leute nehmen es einfach so hin und wundern sich kein bisschen darüber. Dieses Geheimnis ist die Zeit. “ So beginnt das Sechste Kapitel von Michael Ende "MOMO und die Grauen Herren". Ein jüdisches Sprichwort aus einer Zeit, als die Tauschwirtschaft primär gegenüber der Geldwirtschaft auftrat und Geld noch ein Äquivalent produzierter Ware war, besagte: „Die Zeit ist ein kostbares Gut; man kann sie für Geld nicht kaufen.“. Vergleichbar mit der Luft zum Atmen oder dem Sonnenlicht für das Leben. Jedoch trug dieses Sprichwort in sich schon die Möglichkeit der Verwertung und damit des Kauf und Verkauf von Zeit. Als „kostbares Gut“ wird die Zeit benannt. Und wenig später wird man erkennen, dass es sich um ein sogenanntes „knappes Gut“ handelt. Diese wiederum stellen Wirtschaftsgüter dar. Zeit ist ein Wirtschaftsgut.

Die Kapitalisierung des Geistes (Teil II)

Manch Neuzeit-Propheten postulieren für heute das Ende des Zeitalters der Industrialisierung. Das jedoch die Industrie selbst von einer " vierten industriellen Revolution " spricht, scheint ihnen dabei entgangen zu sein. Man ruft ein neues, ein "Informationszeitalter" aus, stellt traditionelle Denkweisen als ausgetretene Pfade an den Pranger und verknüpft dies (wieder einmal) mit Forderungen nach umfassenden Reformen in der Bildungslandschaft. So kurz vor dem 500. Jahrestag der Reformation, Kritik an Reformen zu üben, hat den Geruch von Ketzerei an sich. Besonders, wenn es um Reformen im Bildungsbereich geht. Nur droht heute dafür nicht ein Ende auf einem brennenden Scheiterhaufen, man droht mit dem Entzug weiterer, künftiger Lehraufträge. Was letzlich auf ein ähnliches Ende des Betroffenen hinausläuft. Die »Reform« und das »reformieren« sind mittlerweile zu Zauberwörtern geworden, die nahezu alle Felder des sozialen, politischen und kulturellen Lebens besetze

Die Kapitalisierung des Geistes (Teil I)

Der Beginn einer Streitschrift für "Freiheit und Einsamkeit" [Wilhelm v. Humboldt] des Lernenden. "In der modernen komplexen Arbeitswelt ist Lernen und Weiterbildung zentral, um den Anschluss an neueste Entwicklungen und Veränderungen nicht zu versäumen. Dabei ist die digitale Medien- (und Informations-) Kompetenz heute eine wichtige Voraussetzung für das Lernen und Arbeiten der Zukunft, die weit über den reinen Wissenserwerb hinausgeht." So die Plattform www.lerncockpit.de , welche uns [Trainer, Träger, Schulen] hilft "die richtige Transformationsstrategie für Ihre [unsere] Bildungsprozesse und Personalentwicklung zu definieren.". Nach über 25 Jahren Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung  dieses Landes habe ich eine etwas abweichende Einstellung: Je mehr der Wert des Wissens beschworen wird, desto schneller verliert das Wissen an Wert [9] Was Moment der Persönlichkeit hätte werden sollen, was Ausdruck des geistigen Gehalts von B

Der Rasenmähermann 4.0

Kaum hat mein Avatar die virtuelle Lobby der Online-Universität betreten, springt mir der Learning-Guide-Avatar fast ins Gesicht. Ob ich denn heute auch so gut drauf sei, will er wissen und wie mein selbstgesteuertes Lernen gestern gelaufen ist. Seine Sensoren bemerken natürlich sofort, dass ich nicht gleich reagiere. Um in meinen „ Flow “ zu kommen drängt er mir, wie schon Tagen zuvor, ein Memory-Spiel genannt „Magische Wand“ oder "Stadt-Name-Land" mit Begriffen aus meinem Fachbereich auf.  Ich mache mir derweil Gedanken, ob es denn strafbar sei, wenn ein Avatar den anderen tötet. Schöne neue „Lernwelten“, die uns von Anbietern der VR-Games und deren Götzendiener unter dem Titel „Lernen 4.0“ verkauft werden. Dabei sollten sich gerade Samsung und Co. an den SF-Klassiker „DerRasenmähermann“ aus dem Jahre 1992 erinnern können. Selbstgesteuertes Lernen mittels unkritischen Zugriff auf zur Verfügung stehende Information in einer virtuellen Welt führte hier zu Allmachtsfantas